Sprachwahl deutscher Medien zur Beschreibung von Konflikten im Nahen Osten

Die Sprachwahl deutscher Medien, zB in der DER SPIEGEL , zur Beschreibung des US-israelischen Mehrfrontenkrieges (Gaza, Libanon, Syrien, Yemen, …), ist wie aus einem Propaganda-Lehrbuch [1-4]:

Sprachliche Stilmittel:

  • Passive Sprachwahl ohne den Aggressor “Israel” explizit zu nennen
  • Reframing eines Konflikts so dass dieser mit einer Aggression des Gegners beginnt
  • Darstellung von Aggression von Israel als “Reaktion”, ” Verteidigung” ggf auch als “Vergeltung” oder “Rache” beim Gegner, welches barbarisch klingt
  • Darstellung von Aggression Israels als “begrenzt”, ” gezielt”, oder “kontrolliert”
  • Neutrale Sprachwahl: “Aussenden von Bodentruppen”, “Soldaten sind aktiv” (statt Invasion), “neutralisieren”, ggf “töten” oder “sterben” (statt ermorden oder ermordet werden)
  • Beständiges Wiederholen von Frames, welche die ethnische Säuberung als “Evakuierung” (~Retten) und die Ermordung von Zivilisten als “Human shields” (~Schuldumkehr zum Gegner) rechtfertigen
  • Präsentation von israelischen Opfern als Individuen und auf gegnerischer Seite als Statistiken
  • Abschwächung von negativen Fakten als “vermutlich”, “scheinbar”, oder “offenbar”
  • Abschwächung der genuinen Interessen/Dehumanisierung der Gegner als von anderen Mächten (Iran, Russland, China) instrumentalisierte Werkzeuge
  • Dehumanisierende Darstellung der Gegner als barbarisch, brutal, dumm, von niederen Instinkten getrieben
  • Betonung von Aggression Israels als “intelligent”, “effektiv”, “erfolgreich”
  • Reframing der Gegner als “religiös” oder “rassistisch” motiviert, was diese irrational erscheinen lässt
  • Schuldumkehr durch Zuschreibung von Israels Motiven auf den Gegner
  • ….

“Accusing others of which you are guilty” (cf “Every accusation is a confession.”) bedeutet, dass ein Anklagender (Angreifer) dem Gegner (Opfer) eigenes Fehlverhalten oder Verbrechen als Erstes vorzuwerfen, insbesondere Verhalten, das universell als moralische falsch empfunden wird, zB Verletzung von Kindern. Dies führt zu einer Solidarisierung der Öffentlichkeit mit dem Angreifer und entzieht dem Gegner Unterstützung. Falls nun der Gegner ebenfalls diese Anklage erhebt, wird diese unglaubwürdiger wirken (als billige Replik “Selber schuld”/copy cat). Auch evtl Aktionen der Verteidigung des Opfers werden – nachdem der Frame durch den Angreifer bereits gesetzt – ist als Bestätigung wahrgenommen werden (cf confirmation bias, self-fulfilling prophecy), dass das Opfer “aggressiv” ist. Letztendlich beruht die Strategie auf der Nutzung der kognitiven Mechanismen (zB heuristische Vereinfachungen, confirmation bias, availability bias) und basalen emotionalen Reaktionen (zB Solidarisierung mit der als Opfer präsentierten Partei) der Öffentlichkeit.

Die Sprache ist ein subtiles Mittel der Manipulation, da der menschliche Verstand unmittelbar unbewusst versucht einen Bedeutungszusammenhang zu konstruieren, um zu verstehen. Allein wenn jemand sagt “Bring bitte den Hammer rein!” wird der Hörer bereits implizieren, dass sich der Besitzer des Hammers ausserhalb eines Gebäudes befindet, ohne dass dies explizit gesagt wurde. Wenn nun zB Israel Palästinenser zur “Evakuierung” aufruft, impliziert dies, dass die Menschen vor einer Bedrohung geschützt werden, was die Tatsache verdreht, dass Israel selbst die “Bedrohung” ist und sich stattdessen selbst als “Retter” darstellt. Darüberhinaus verlieren die Evakuierten ihre Lebenserhaltenden Systeme, dh ihr Haus, Möbel, Nahrungsvorräte und ihr soziales Netzwerk, was tatsächlich längerfristig ihre Überlebenschancen mindert. Insbesondere wenn der Aufruf zur Evakuierung nur wenige Minuten vor dem Bombenangriff gegeben wird und somit keine Vorbereitung der Flucht erfolgen kann.

Beispiele:

  • “Israel schickt Bodeneinheiten in den Libanon – USA warnen Iran vor »ernsten Konsequenzen«” (Eskalation in Nahost),
    https://www.spiegel.de/ausland/israel-schickt-bodeneinheiten-in-den-libanon-und-attackiert-offenbar-fluechtlingslager-a-62db60b9-68c9-4524-a176-758f467f283b
  • “Liebesgrüße aus Tel Aviv” (Pager-Attacke gegen Hisbollah-Mitglieder)
    https://www.spiegel.de/kultur/kino/libanon-pager-attacke-gegen-hisbollah-mitglieder-liebesgruesse-aus-tel-aviv-a-7314ff9d-5957-499b-ad8c-ac6bc67a8073

Referenzen:

  1. Mausfeld, R. (2018). Warum schweigen die Lämmer?: Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören (3rd edition). Westend.
  2. Klemperer, V. (1947/2010). Lingua Tertii Imperii – LTI – Notizbuch eines Philologen. Reclam-Verlag, Stuttgart 2010,
  3. Herman, E. S., & Chomsky, N. (2002). Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media (Reprint edition). Pantheon.
  4. Chomsky, N. (2013). Necessary Illusions: Thought Control in Democratic Societies (2nd edition). House of Anansi Press.
  5. Sherwood; F Bernays, E. L. [Editor]; C. C. (1969). The Engineering of Consent (Third Printing edition). University of Oklahoma Press.
  6. “Assal Rad: The headline fixer”, The Listening Post, https://www.youtube.com/watch?v=F8sPJBqnOEE
  7. https://www.lemkininstitute.com/statements-new-page/statement-on-the-western-media-narrative-regarding-israel%E2%80%99s-genocide-in-gaza-
  8. https://www.declassifieduk.org/how-the-western-media-helped-build-the-case-for-genocide-in-gaza/
  9. De Coster et al. (2024). Uncovering the Bias and Prejudice in Reporting on Islamist and Non-Islamist Terrorist Attacks in British and US Newspapers. Perspectives on Terrorism. Vol. XVIII, Issue 3, pt.icct.nl/article/uncovering-
  10. https://www.blaetter.de/ausgabe/2024/juli/auf-einem-auge-blind-deutsche-medien-und-der-gazakrieg

     

     

    http://wilmarigl.de

    en_USEnglish